25. September – 24. Oktober 2020
In Birgit Pundsacks Ausstellung „Small Size“ tritt der Besucher einer auf den ersten Blick farblich wie motivisch sehr homogen wirkenden Präsentation kleinformatiger Werke aus den Jahren 2019/20 gegenüber: gerahmte Acrylmalereien auf Papier – Auszüge aus der Serie „Ast“ – und Ölgemälde von Glas-Gewächshäusern auf Aludibond. Erst auf den zweiten Blick erkennt der Betrachter die Gegensätzlichkeit in dieser Harmonie: Natur – Kultur, Botanik – Architektur, gewachsen – gebaut, organisch – technisch. Solche Gegensatzpaare bestimmen die Motive der Gemälde.
Seit 2003 setzt sich die Künstlerin verstärkt mit fotografischen Bildmotiven auseinander, die die zerstörerischen Folgen massiver menschlicher Eingriffe in bestehende natürliche Ordnungssysteme dokumentieren. Umweltkatastrophen wie der Hurrikan Katrina, die Flut in Dresden oder das Waldsterben sind wiederkehrende Themen.
Dabei ist die Auseinandersetzung mit den Grenzen und Möglichkeiten von Malerei bei der Darstellung solcher Thematiken im Unterschied zu den zunehmend digitalen Vorlagen von zentraler Bedeutung. Während ihre älteren Arbeiten mit voluminöser Wachs-Schaumstoff-öl-Oberfläche eine starke materielle Präsenz hatten, die noch durch Krakeluren der Wachsbeschichtung gesteigert wurde, wählt Birgit Pundsack seit 2003 glatte und puristische Malträger aus Metall oder Kunststoff, auf die teils lasierend die ölfarbe aufgetragen wird.
Auch wenn die Aludibond-Platten als Grundlagen die Gemälde näher an das Erscheinungsbild einer „Flatscreen“ und damit die ursprüngliche Optik der Bildquellen – sei es digital, als Abzug oder Dia – bringt, interessieren die Künstlerin bei ihrer Wahl von Motiv und Duktus weiterhin gerade die speziellen haptischen Qualitäten von Malerei im Unterschied zu den spezifischen Eigenschaften und dem Informationsgehalt von virtuellen Bildern.
Mit den gewählten Medien und Maltechniken beeinflusst die Künstlerin das Dargestellte: Der parallel gesetzte Farbauftrag der Acrylschichten auf den Papierarbeiten vereinheitlicht die gewachsenen Strukturen zu abstrakten Anordnungen, analog zu den gebauten Gebäudekonstruktionen. Die unterschiedliche Haptik der Gemälde wird durch den Auftrag der Farbe nicht nur mit dem Pinsel, sondern auch mit dem Einsatz von Spachtel und anderen Hilfsmitteln erzielt. Die realen Abbilder von Innenraumarchitekturen und Waldsituationen, selbst wenn konkrete Pflanzenpartien erkennbar sind, treten verfremdet in Erscheinung, der Bildraum wird durch diffuse Hintergrundschichten illusionistisch dynamisiert. Während die technischen Elemente der Architekturen verlebendigt werden, und diese dem organischen Wachstum der Pflanzen, die sie beherbergen, nachzueifern scheinen wie in einer Verzweigung von Blattadern, tritt umgekehrt die Natur eigenartig verfestigt und gebaut in Erscheinung, weniger gewachsen als einem Bauplan folgend. Die Oberfläche der geriffelten Glasscheibe in der Binnenarchitektur eines Treibhauses mutiert zu einer schaumigen Wasserfläche oder einer narbigen Haut. Die Streben einer Dachkonstruktion aus Stahl greifen in gieriger Verästelung in die Luft, die übergänge von Wolken und Konstruktionselementen der Architektur verschwimmen, die räumliche Verortung und Definition von Vorder- und Hintergrund verwächst miteinander zu einem diesigen, atmosphärischen Unbestimmten, das die Tragfähigkeit der menschlichen Konstruktionen aufzulösen und generell infrage zu stellen scheint.
Alle gezeigten Gemälde basieren auf von der Künstlerin selbst erstellten Fotografien, aufgenommen in den Wäldern in und um Köln sowie in Gewächshäusern. Vor und neben der Nutzung in landwirtschaftlichem Kontext dienten Gewächshäuser in vergangenen Jahrhunderten der Verschiebung und Imitation von mediterranen Klimabedingungen nach und in Europa, zu Transfer und Zucht seltener Pflanzen, zur Demonstration fremdartiger exotischer Welten. Sie waren eigentlich gedacht als geschützter Raum, der eine den klimatischen Ursprungskonditionen der Pflanzen adäquate und für deren Gedeihen ideale Umgebung herstellen sollte, nicht nur zur Erbauung und Belehrung, sondern auch zur Optimierung der wirtschaftlichen Erträge. m Kontext der Kolonialisierung entstanden und forciert, war dieser Transfer ein Vorbote der Globalisierung, die – ironischer wie tragischer Weise – inzwischen auch für eine unfreiwillige Anpassung der klimatischen Bedingungen in unseren Breitengraden gesorgt hat. Die menschliche Hybris, natürliche Bedingungen künstlich herzustellen und kontrollieren zu wollen, die übertragung und im wahrsten Sinne des Wortes „Verpflanzung“ von Arten, sei es der Flora oder Fauna, haben die Pracht und den Reichtum der Artenvielfalt zerstört, die in den Orangerien präsentiert werden sollten.
So thematisiert „Small Size“, das „Kleine Format“, em die Künstlerin seit 2010 den Vorrang gibt, in sehr zurückhaltender Symbolik und eher leisem Verweis mit rein malerischen Mitteln die Anmaßung des Menschen und dessen manipulative Einwirkungen zunehmend unüberschaubaren Ausmaßes auf das Gleichgewicht der Natur. Was also zu sehen ist, sind erschreckend schöne Bilder.
(Birgit Laskowski)