1.5. – 29.5.2021
Burkhard Mönnich malt Porträts, als klassisches »Schulterstücks«, in Frontalansicht – en face, und freigestellt auf weiß grundiertem Nessel.
Die Typen, denen man auf seinen zwölf Gemälden in einheitlichem Format im kjubh Kunstverein »von Angesicht zu Angesicht« gegenüber tritt, sind das, was man »Charakterköpfe« nennt: vom Leben gezeichnete Individuen mit unverwechselbarem Ausdruck. Wie Ahnenbilder an den Wänden nebeneinander aufgereiht, umringen sie die Ausstellungsbesucher*innen, und erwidern deren Blick auf immer gleicher Augenhöhe mit großer Intensität und Unmittelbarkeit, der man sich nicht entziehen kann: Gelassen, traurig, nachdenklich, amüsiert, skeptisch, spitzbübisch spiegeln sie die Stimmung der Betrachter*innen und stellen die Frage in den Raum: Wer schaut hier eigentlich wen an?
Die Konterfeis stellen allesamt Affen dar, doch ihre Vorbilder sind keine echten Lebewesen, sondern alte, abgeliebte Stofftiere der Firma Steiff, die der Künstler im Internet erwirbt. Er porträtiert sie in Fotosequenzen, die ihm die Vorlagen für seine Ölgemälde liefern.
Industriell und seriell hergestellte, leblose Gegenstände also, als solche zunächst nur willenlose Objekte, durch nichts bestimmt als durch ihre Gestalter. Und doch ist jede dieser Vorlagen so individuell gealtert und von ihrer persönlichen Geschichte geprägt, dass keines der Modelle, beispielsweise der Serie »Coco« oder »Jocko«, dem anderen wirklich gleicht. Und so scheinen sie in der Beziehung mit ihren ehemaligen Besitzer*innen doch alle ihre eigene Rolle gefunden zu haben: Der Schlitzohrige, die Somnambule, der Kindliche, die Verschlagene – denn manche sehen tatsächlich aus, als könnte man sogar ihr Geschlecht erkennen, ihnen weibliche oder männliche Züge zuordnen. Und so kommen diese Gesichter uns nicht nur eigenartig vertraut vor, sondern rühren uns sogar an.
Näh´ einem alten Socken zwei Knöpfe auf und Du kannst ihn nicht mehr wegwerfen: Das magnetische Zentrum dieser Wesenhaftigkeit der gemalten Tiere sind ihre Glasaugen, die eine unwiderstehliche Anziehung ausüben, aber dabei auch zwiespältige Gefühle wecken und Beklemmung auslösen, zumal sie nur eine trügerische Lebendigkeit vorgaukeln. Die Protagonisten auf Mönnichs Bildern grüßen vom anderen Ufer des »Uncanny Valley«, weisen sie doch fast alles auf, was ein lebendiges Subjekt besitzt, bis auf dessen Wesentliches: das Leben.
Zur zweifelhaften, abgründigen Belebtheit und ambivalenten Wirkung der von Burkhard Mönnich porträtierten »Dinge« trägt auch die Malweise selbst bei: Obwohl Ölmalerei, erfolgt der lasierende Farbauftrag äußerst locker und mitunter fast transparent wie auf einem Aquarell. Die weiße Grundierung des Trägers leuchtet zwischen den Pinselschwüngen auf und erzeugt die lichten Höhungen der umgebenden Farben. Im technischen Rückbezug auf das Informel verselbstständigt sich der Pinselduktus bei der freien Interpretation der materiellen Struktur und löst die gegenständliche Einheit der wiedergegebenen Körper in der näheren Ansicht nahezu vollständig auf: Der Gegenstand liefert mit einem Mal lediglich den Anlass für die Malerei. Das Blow up der im Original nur wenige Zentimeter großen Köpfe wandelt die Beschaffenheit des Materials und dessen Anmutung: In ihrer Vergrößerung treten die Details der ramponierten Gesichter wie Kampfesspuren und Narben von Verletzungen hervor. Das verleiht den Gestalten auch eine zombieartige, monströse Seite und die »Niedlichkeit« der Modelle kippt ins Morbide.
In Thomas Manns »Doktor Faustus« züchtet der Vater von Adrian Leverkühn Wasserglasblumen aus Kristallen. Ihre Schönheit fasziniert ihn und rührt ihn gleichzeitig zu Tränen, da er tiefe Traurigkeit darüber empfindet, wie »sehnsüchtig« die tote Materie die lebendige zu imitieren sucht.
Jedes perfekt gemalte Stillleben löst eine vergleichbare Melancholie aus, ja, umso prachtvoller der Trug gelingt, die saftige, blühende, geilende und gärende Natur möglichst getreu nachzuahmen, desto wehmütiger und schmerzvoller ist die Einsicht ihrer Künstlichkeit, die dem Staunen unweigerlich folgt.
In der Umkehrung hat Malerei auch schon immer tote Materie zu etwas Lebendigem gewandelt – nicht zuletzt aus der beschriebenen Wehmut motiviert. Dieses Vermögen von Malerei interessiert Burkhard Mönnich und sein eigentliches Sujet ist nicht das Dargestellte, sondern die Untersuchung: Was macht das Licht mit dem Gegenstand, wie wandelt sich das Gesehene im Malprozess?
Birgit Laskowski