1.9.-30.9.2018
Mehtap Baydu, 1972 in Bingöl (Türkei) geboren, lebt und arbeitet in Berlin. Sie studierte Skulptur an der Universität Hacetteppe in Ankara und Freie Kunst an der Kunsthochschule in Kassel, wo sie Meisterschülerin bei Dorothee von Windheim war. Baydu erhielt dort 2011 den Kunstpreis UPK sowie 2015 in
Ankara den Preis „Künstler des Jahres“. Bisherige Einzelausstellungen waren in Kassel, Berlin, Wien, Istanbul und Ankara zu sehen. Im kjubh zeigt sie erstmals ihre Arbeit in Köln.
„Long Neck“ (2015): Das Selbstporträt mit von Männerhemden abgeschnittenen Kragen verweist auf die „Long Necked Women“, eine Tradition der Kayan Lahwi in Nord-Thailand; dort tragen Frauen bis heute
Messingspiralen als Halsschmuck. Die Spiralen lassen den Hals länger erscheinen – was die Frau in den Augen der Männer attraktiver macht, auch wenn die Spirale die Halsmuskulatur schwächt. Mehtap Baydu ist Konzept- und Performance-Künstlerin. In ihren Arbeiten befasst sie sich – in der Türkei
wie in Deutschland – mit gesellschaftlichen und kulturellen Themen. Darin geht es oftmals um Geschlechterrollen, um die Beziehung zwischen Frau und Mann, um Tradition und Religion. Baydu beobachtet, spiegelt, stellt Konventionen in Frage oder testet Normgrenzen aus. Ein wiederkehrendes
Motiv in ihrer Kunst ist die Kleidung, die wir tragen, und wie, was wir tragen, unsere Identität umschreibt und definiert. Dabei hinterfragt die Künstlerin gängige Dresscodes und experimentiert, mal spielerisch, mal ernsthaft, mit deren Signalen, ihrer Deutung sowie mit unserer Reaktionen. So porträtiert sie sich zum Beispiel in einem Herrenanzug aus rosa geblümtem Flanell, den sie von einem Herrenschneider anfertigen ließ (Kıyafet, 2015); sie geht mit einer Kleiderstange voller Männerhemden in einem Park spazieren (Der Sonntagsspaziergang, 2017) oder sie legt das geblümte Kleid ihrer Mutter, wie Gemüse, in einem Einmachglas ein (Eine Prise Salz, ein Spritzer Essig, ein wenigWasser, 2017). Mithilfe einer breiten Palette künstlerischer Ausdrucksformen verarbeitet sie ihre Motive und Gegenstände in wechselnden
Medien und Materialien. In ihnen entfalten sich immer neue Bedeutungen und Nuancen, die Baydus Bildsprache verdichten.
Mit „Pestil Elbise“ (Kleid aus Pestil unter Glass), 2010, zeigt Baydu ein Modell als Vorbereitung für ihre Performance „eat me – meet me“ aus demselben Jahr in der documenta-Halle in Kassel. Pestil sind Fladen aus gepresstem Fruchtmus: ein traditionell türkisches Konfekt. In der Performance trug sie ein Kleid aus Pestil und lud die Zuschauer ein, einzelne Stücke herauszureißen und zu „vernaschen“: ein brisantes Spiel der Verführung. „Eat me – meet me“ erinnert an Yoko Onos 1964 erstmals ausführte Performance „Cut Piece“. Bei Yoko Ono durften die Zuschauer mit einer Schere Textilstücke aus ihrem Anzug herausschneiden. Seinerzeit bestimmte sie das Ende der Performance…Baydus Performance endete, als das Pestilkleid vollkommen aufgegessen war – und die Künstlerin nackt den Raum verließ.
Des Weiteren sind im kjubh zu sehen: „Birdirbir“ (Bocksprung, 2017) eine Fotomontage sowie die Video-Performance, „Karakter Bürünmek“, 2012.