13.8.-10.9.2022
ASPHALT
Der Begriff ruft Empfindungen hervor, er aktiviert alle Sinne: den Geruch von Bitumen, das Geräusch von Motoren, die Farben von Öl. In ihm sammeln sich die Erfahrungen der industriell geprägten Generationen, denen der Umgang mit Maschinen vertrauter ist als mit der Natur. Gleichzeitig schwingt in „Asphalt“ ein Anachronismus mit. Der Kult um Autos ist der Klimakatastrophe gewichen. Rohstoffe gehen zur Neige, die globale Erwärmung gefähr-det die Lebenswelten nicht nur von Tier- und Pflanzenarten, sondern Gesellschaften befin-den sich ihretwegen in Auflösung. Romy Julia Kroppe widmet sich den landschaftlich anmutenden Asphaltoberflächen mit der ihr typischen Faszination für Dinge, die schön, aber toxisch sind. Wie in ihren vorange-gangenen Serien (etwa „Strand“) richtet sich ihr Blick auf den Boden, auf Grenzbereiche zwischen der Natur und der sogenannten zivilisatorischen Welt. Die Natur ist in „Asphalt“ nur noch auf dem Wege der Abstraktion und Verfremdung aufzufinden. Das aus Erdtiefen geförderte Öl ist das Resultat physischer Prozesse, eine chemische Umwandlung ursprüng-lich organischer Materie. Die sich in Ölpfützen sammelnden Flüssigkeiten sind technisch weiterverarbeitete Stoffe wie Diesel und Benzin. In der Dekontextualisierung, dem Heran-zoomen des Blicks, im Bücken über die Ölpfütze treten Oberflächen hervor, die gelegentlich an Satelliten-Perspektiven gemahnen. Entstanden sind die Bilder teilweise über das Verfahren des Acryltransfers. Dabei wird eine abstrahierte und in Graustufen ausgedruckte Fotografie in einem chemischen Prozess auf das zuvor angefertigte Aquarell übertragen. Wie eine Schablone legt sich die Transferschicht über das Schimmern der Malerei. Es werden Ströme sichtbar: das Fließen von Substanzen auf den Gegebenheiten der Oberfläche, das Auftreffen einer Substanz auf eine andere zwischen Statik und Dynamik, eine zähe Bewegung. Die 33-teilige Bildserie „Asphalt“ wird in dieser Ausstellung von den beiden älteren Bildern „SUVromantic“ und „Europabad“ eingeleitet, die aus anderen Werkkomplexen Romy Julia Kroppes stammen. Sie weisen motivisch auf das aktuelle Projekt voraus. In ihm wird „Verschmutzung“ als ein Abweichen von einer – stets willkürlichen – Ordnung kenntlich: die Schönheit, die im Skandalösen liegt.
Text: Marcel Raabe
Romy Julia Kroppe (*1983) lebt und arbeitet als bildende Künstlerin in Leipzig. Sie studierte an der Hochschule für Grafik und Buchkunst und schloss 2015 ihr Studium als Meisterschülerin von Prof. Astrid Klein ab. Ihr Medium ist die Malerei auf großformatigem Papier und das Experimentieren mit kleineren Formaten, einschließlich verschiedener Arten von Collagen, Fotos und Drucken. Sie interessiert sich für die Beziehung zwischen dem Menschen und seiner Umgebung und arbeitet in den Bereichen Landschaft, Interieur und Stillleben. Anstatt menschliche Figuren zu zeigen, malt sie Überreste, wie die verbliebenen Spuren des Menschen. Ihr Ziel ist es, in ihnen und in ihrer Interaktion mit der Umgebung eine situative Besonderheit zu finden. Sie erhielt u.a. Projektförderung (2021) und Arbeitsstipendium (2016) von der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen und vom Kulturamt Leipzig (2015). Residenzstipendien führten sie nach Spanien, Island, Deutschland und in die Schweiz. Ihr Arbeiten wurden angekauft vom Förderkreis der Galerie für Zeitgenössische Kunst e.V., Leipzig (2020) und dem Sächsischem Landtag Dresden (2017), von der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen (2013) und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau- und Reaktorsicherheit, Berlin/Bonn (2012). Ausstellungen (Auswahl): Herberge, Spriten Kunsthall, Skien, Norwegen (2022), Vom Haben und Teilen, Galerie für Zeitgenössische Kunst (GfZK), Leipzig 2021), Chow Chow, Werkschauhalle Spinnerei, Leipzig (2021), Europabad, Galerie b2, Leipzig (2020), Geiertage, Gapgap, Leipzig (2018), Ich dachte, Sie wären nur ein armer Schlucker!, Kommunalka, Leipzig (2016), Springboard – Kunst-raum Praline, Leipzig und Okela, Bilbao, Spanien (2015), 4Rooms – Künstlerhaus im Schlossgarten e.V., Cuxhaven (2014), Natur 3d , Museum der Bildenden Künste, Leipzig (2012), Update – junge Kunst aus Leipzig, Kunsthalle der Sparkasse Leipzig (2011) – http://romyjuliakroppe.de/
The term evokes sensations, it activates all senses: the smell of bitumen, the sound of engines, the colours of oil. It gathers the experiences of industrial generations who are more familiar with machines than with nature. At the same time, an anachronism resonates in „Asphalt“. The cult of cars has given way to climate catastrophe. Raw materials are running out, global warming is endangering the living environments not only of animal and plant species, but also societies that are disintegrating because of it. Romy Julia Kroppe devotes herself to scenic asphalt surfaces with her typical fascination for things that are beautiful but toxic. As in her previous series (such as „Strand“), her gaze is directed at the ground, at border areas between nature and the so-called civilised world. In „Asphalt“, nature can only be found through abstraction and alienation. The oil extracted from the depths of the earth is the result of physical processes, a chemical transformation of originally organic matter. The liquids that collect in oil puddles are technically processed substances such as diesel and petrol. In the decontextualisation, the zooming in of the gaze, in the bending over the puddle of oil, surfaces emerge that occasionally resemble satellite perspectives. The images were partly created using the acrylic transfer process. In that process, an abstracted photograph printed in greyscale is transferred onto the previously made watercolour picture. Like a stencil, the transfer layer is laid over the shimmer of the painting. Currents become visible: the flow of substances on the conditions of the surface, the impact of one substance on another between static and dynamic, a viscous movement. The 33-part series of paintings „Asphalt“ is introduced in this exhibition by the two older paintings „SUVromantic“ and „Europabad“, which come from Romy Julia Kroppe’s other work complexes. In terms of motifs, they point ahead to the current project. In it, „pollution“ becomes recognisable as a deviation from an – always arbitrary – order: the beauty that lies in the scandalous.