21.8.–18.9.2021
Stefan Römer ist ein konzeptueller Künstler aus Berlin, der seit Jahrzehnten konsequent multidisziplinär mit Fotografie, Film, Sound und Text arbeitet. In der Ausstellung „DeConceptualize – the project“ stellen fotografische Reproduktionen in Form großformatiger Drucke eine Verbindung von Römers aktuellem Projekt mit einigen historischen Arbeiten aus seiner Zeit in Köln her, wo er Anfang der 1990er Jahre u. a. das kunstaktivistische Kollektiv „FrischmacherInnen“ initiierte. Im Mittelpunkt stand die Kritik an antisozialen Entwicklungen wie Ausgrenzung, Rassismus und Verelendung, die nicht zuletzt durch die zunehmende Ökonomisierung der Innenstädte verursacht wurden.
Der Ausstellungstitel „DeConceptualize“ ruft nun zu einer erneuten kritischen Recodierung etablierter Repräsentations- und Diskursformen postminimalistischer und konzeptueller Kunst in der Gegenwart auf. Von konzeptuellen KünstlerInnen ursprünglich erkenntniskritisch intendierte Präsentations- und Gebrauchsweisen von Bild und Sound werden heute vielfach in Ausstellungen unterdrückt oder modifiziert. Der Konzeptualismus verstand sich ursprünglich als eine künstlerische Selbstermächtigungsstrategie, ist nun aber in einem Akademismus und Institutionalismus arretiert.
Stefan Römer verwandelt den Ausstellungsraum des kjubh mittels eines monochrom grauen, umlaufenden Wandgemäldes in ein Diagramm. Auf dem als Display konzipierten grauen Gemälde werden acht Drucke mit Filmstills, die der Filmtrilogie »ReCoder« entnommen sind, sowie Foto-Textmontagen präsentiert.
In diesem aktuellen künstlerischen Forschungsprojekt „DeConceptualize“ untersucht Römer die Verbindungen von konzeptuellen Schriften und Diagrammen mit raum- und zeitbasierten Arbeitsweisen sowie mit visuellen und akustischen Medien, die auf eine Dekonstruktion der institutionellen Verwaltung des Konzeptuellen in Kunst und Musik abzielen. Diese künstlerische Praxis bezeichnet Römer als „de-konzeptuell“, womit im jeweiligen Werk auch die eigenen kunsttheoretischen Implikationen thematisiert werden.
Während seines aktuellen Forschungsprojekts schrieb Stefan Römer das Buch „DeConceptualize – zur Dekonstruktion des Konzeptuellen in Kunst, Film, Musik“ (Hatje Cantz 2021); die Experimentalfilm-Trilogie „ReCoder“ wird Anfang 2022 vorliegen, und er produzierte drei Musikalben (Corvo Records), die in der Ausstellung angehört werden können: „Der Beat ist ein Knacken und Knistern.“
Die Fotografie, die heute nicht mehr als Objekt begriffen wird, sondern als eine, durch mehrere Medien zirkulierende Datenmenge, tritt in den Drucken als „transkategoriales“ Kunstwerk auf, das laut Peter Osborne sowohl die Konzeption und Realisation als auch die Dokumentation des Kunstwerks selbst – über materielle, mediale und räumliche Differenzen hinweg – wiedergeben kann. Seine spezifisch entwickelte Verbindung von Praxis und Theorie unter den medialen Überwachungsbedingungen bezeichnet Stefan Römer als „Inter-esse“ (das gleichnamige Buch ist 2014 bei Merve erschienen).
Zu Stefan Römers konzeptuellem Werk gehören langjährige Fotozyklen („Schlagbaum. Über die Grenzen zwischen Kultur und Natur“, Kunstverein Springhornhof 2010), der Dokumentarfilm „Conceptual Paradise“ (2006; http://conceptual-paradise.zkm.de), Performances (seit 1984) bis hin zu Publikationen von kunsttheoretischen Büchern.
Foto- und Künstlerbücher von Stefan Römer:Corporate Psycho Ambient (Schaden, Köln 2001), Corporate Psycho Ambient. The (never ending) movie (Photo Biennale, Rotterdam 2003); Begegnungen mit Deutschen (Revolver, Frankfurt/M. 2003), Temporary Architectures (Schaden, Köln 2005), Berichte aus dem Conceptual Paradise (Silke Schreiber, München 2007); The Ups and Downs of Stan Back (Textem, Hamburg 2013).